Texte 2016

SPLEEN, Gruppenausstellung der SGBK 2016, Maison 44
DIE SCHÖNHEIT DES EINFACHEN ist die Grundhaltung der japanischen Ästhetik. Sie ist in jedem Gegenstand anwesend, sei es in der Kunst oder in den Dingen des täglichen Lebens. Zwei Eigenschaften kennzeichnen die ästhetische Tradition Japans. Zum einen die Unbeständigkeit des Seins, jenes Gefühl von Traurigkeit, das der Vergänglichkeit der Dinge nachhängt und sich doch mit ihr arrangiert. Als Mitgefühl mit allen Dingen und deren unabdingbaren Ende, ist das ’mono no aware’ ein Gefühl das diese Stimmung beschreibt. Das zweite ästhetische Prinzip ist das ’okashi’, das mehr den Intellekt anspricht und der Heiterkeit zugrunde liegt. All das, was das Gesicht zum Lächeln oder Lachen bringt. Das kann in der Betrachtung eines Kirschblütenzweiges sein. In der Literatur repräsentiert es das Kopfkissenbuch von Sei Shônagon. Es beschreibt das höfische Leben in der Zeit um das Jahr 1000 von der heiteren Seite bis zum Komisch-Lustigen.

Elsbeth Gyger


MAKIMONO: (Schriftrollen)
Auf Japanpapier wird mit einem breiten Pinsel eine Bahn gezogen! Jedes Mal von neuem entscheide ich über die Menge Tusche, die im Malpinsel enthalten sein soll. Dann, den Pinsel aufsetzen, und JETZT zählt nur dieser Moment, das was ich jetzt bin und fühle. Kein Zaudern ist erlaubt, ruhig, im Rhythmus meines Herzschlages, wird die Bahn gezogen. Ein sehr intensiver konzentrierter Augenblick, der weder korrigiert noch nachgebessert werden kann. Ein hellwacher Moment Leben, der nicht wiederholbar ist.


SABI I & II
Auch hier wird die Grundbedeutung des Wortes ’sabi’ mit Einsamkeit, Verlassenheit und Patina definiert. Daraus entsteht in der Kamakurazeit (1192-1333) ein Schönheitsideal, durch den Zen Einfluss wird der Begriff zur LEERE, in welcher der Künstler zu seinem eigenen Selbst findet. Auf jedem Bild sind zwei Pinselstriche gesetzt, die das Weiss formen und so die LEERE sichtbar machen.


MOND VON HEUTE NACHT
Mond von heute Nacht –
dass es nur den einen gibt,
ist doch sonderbar!
Ryôta
Das Haiku (Japanisches Gedicht) besteht aus drei Wortgruppen mit nicht mehr als 17 Silben, nach der idealen Aufteilung 5 – 7 – 5. Die kurzen Verse beinhalten stark erlebte (Natur-)Eindrücke, die jedoch nur in Andeutungen wiedergegeben werden. Die Tradition des Haiku-Dichtens wird in Japan bis heute gepflegt.