Text 2017

ZWISCHEN-GRENZEN, La Nef 2017
Bei le Noirmont bildet der Doubs die Grenze zwischen zwei Ländern. Auch sonst markieren Flüsse, Seen und das Meer Grenzen. Sie sind zugleich auch Übergänge. Wir gehen „hinüber“ von hier nach dort. Meistens leitet uns die Neugierde, sie will gesättigt werden. Erst wenn wir auf der anderen Seite sind, am anderen Ufer, im neuen Land, wird es still und zufrieden in uns. Die Steigerung der Neugierde ist die Sehnsucht, dann die Hoffnung. Seit jeher werden diese Gefühle mit der Farbe BLAU verbunden.

Die Farbe Blau wird aber auch mit dem Himmel oder dem Wasser assoziiert. Blau nimmt uns mit, zieht uns in die Ferne. Es verbreitet etwas Geheimnisvolles, Sehnsüchtiges, Ruhiges und Träumerisches.

OLTREMARINO, über das Meer, von weit her, kam einst diese wunderbare Farbe, die schon bei den Ägyptern, Persern und dann in der Renaissance den Kunstwerken zu ihrer Schönheit verhalfen. In Afghanistan, im Tal Sar-e-sang, wurde der Lapislazuli abgebaut und über alte Handelsrouten in alle Welt gebracht.

Schon immer hatten die Menschen die Sehnsucht und Hoffnung in einer würdevollen Welt zu leben. Sie kommen von weit her über das Meer, es zieht oder treibt sie fort, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Mein Projekt ist all den Menschen zwischen den Grenzen gewidmet: Die Installation, ein grosses, ultramarinblaues Bild, das in der Mitte einen Horizont sichtbar macht, der allein durch die Malweise entsteht.

Am Boden liegen umbrafarbene Blätter lose gestreut, mit Schriftfragmenten, die sinnbildlich für die Erde stehen, die Halt und Nahrung gibt.

Mit dem Schritt ins Ungewisse haben sich die Menschen dem unendlichen Sog des Blau hingegeben, die sich steigert bis zur Angst, der „peur bleue“. Jeder Schritt ins Ungewisse bedeutet auch ein Loslassen, etwas zurücklassen, meistens einen Teil der eigenen Kultur. Jeder Mensch, der eine neue Heimat sucht, entgrenzt sich.

Wir alle tragen diese Erfahrung in uns, dass die Hoffnung grenzenlos ist. Jeder Besucher kann sich ein Stück grenzenloser Hoffnung im Anblick des OLTREMARINO mitnehmen.

Elsbeth Gyger